Rede zum SPD-Neujahrsempfang 2018

Rede zum SPD-Neujahrsempfang 2018

Es gilt das gesprochene Wort!

„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“

Dieses wegweisende Zitat über die Zukunft stammt von dem französischen Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry. Und seine Kernaussage: Zukunft kann man einfach geschehen lassen oder: man gestaltet sie.

Vieles konnte für Speyer auf den Weg gebracht werden. In gemeinsam getragenen Beschlüssen, in enger Zusammenarbeit zwischen Politik und Wirtschaft, unter Mitwirkung vieler ehrenamtlich Tätiger. Deshalb möchte ich heute allen danken, die sich hier eingebracht und eingesetzt haben. Ihre Leistungen waren – und sind – unverzichtbar.

Wir Speyerinnen und Speyerer werden aktiv, wenn wir eine Notlage sehen; wir bringen uns ein, um unser Umfeld zu gestalten, wir Speyrer stellen viel auf die Beine, um das Leben in unserem Speyer zu bereichern. Mit genau dieser Kraft möchte ich gemeinsam mit euch den Blick nach vorn lenken. Eine Vision für unser Speyer 2030 entwickeln. Für unsere Stadt der Zukunft.

Eine Vielzahl von Projekten verharren in der Warteschleife und warten auf Umsetzung: Ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept, um endlich den endlosen Staus und dem hohen Verkehrsaufkommen entgegen zu wirken. Der Neubau der Feuer- und Rettungswache, die Sanierung unserer Schulen, eine stärkere Fokussierung auf den Natur- und Umweltschutz verbunden mit Investitionen in die Stadtbildpflege, den möglichen Containerumschlag am Hafen zur Entlastung des Straßennetzes, Diskussionen über die Nutzung des Stiftungskrankenhauses oder auch Reithalle sowie zukünftige Gestaltung des Postplatzes und tragfähigen ÖPNV, um nur einige Beispiele zu nennen.

Was wir aber vor allen Dingen brauchen ist ein Wechsel in der politischen Ausrichtung der Stadtentwicklung! Man kann den politisch Verantwortlichen nicht mal unbedingt Versagen vorwerfen. Sie haben erreicht, was sie erreichen wollten: Die Stadtspitzen der 90er Jahre haben bewusst die gestalterische Hoheit der Stadt über freie Grundstücke abgegeben. Viele Investoren kamen und durften nach Gutdünken bauen. Viel hochpreisiger Wohnraum ist entstanden. Zweifelsohne ist dadurch auch sehr viel Wohlstand nach Speyer gezogen und ich gönne auch jedem sein Häuschen und die schöne Wohnung. Aber: Speyer ist zum Spielball des freien Wettbewerbs geworden. Und den freien Wettbewerb können sich nur wenige leisten. Die Krankenschwester, der Sozialarbeiter, der einfache Angestellte nicht. Die bestimmende Politik der letzten acht Jahre ist diesem einseitigen Fahrplan zu Lasten vieler Speyrer gefolgt. Und folgt dem noch immer: aus dem von uns geforderten Wohnraumkonzept wurde ein Wohnungsmarktkonzept; an der Waldstraße entsteht ein Hotel anstelle von bezahlbaren Wohnungen; trotz unserer Anfrage bzw. Hinweis wird eine Wohnung nach der anderen in Ferienwohnraum umgewandelt. In diesen acht Jahren wurde nichts gegen diese Entwicklung unternommen- warum auch? Aus Sicht der bisherigen Machthaber war diese Entwicklung ja gewollt!

Ich stehe für das, wofür wir Sozialdemokraten schon immer standen: eine gestaltende, eine starke Politik für alle Menschen dieser Gesellschaft!

Dafür brauchen wir Aufbruchsstimmung, dafür brauchen wir Mut und neue Ideen. Dafür brauchen wir aber auch Sicherheit und Vertrauen.

Um dieses Vertrauen müssen alle, die Verantwortung tragen, sich immer aufs Neue bemühen. Gerade heute, wo Verunsicherung immer mehr um sich greift, wo populistische Hetzer bewusst Ängste schüren. Gerade heute, wo wir nicht nur Politikverdrossenheit, sondern eine Abkehr vom politischen Leben überhaupt konstatieren müssen.

Tiefgreifende Veränderungen brauchen daher einen breiten Konsens; der Umbau gesellschaftlicher Strukturen erfordert die Mitwirkung vieler. Das ist demokratisches Prinzip. Deshalb möchte ich als Oberbürgermeisterin für eine Stadtpolitik fernab von Koalitionen werben. Ein Wir-Gefühl wieder herstellen. In der Verwaltung, in der Politik, in unserer Stadt.

Unsere Stadt kann mehr und ist mehr als eine Marketingfirma oder ein Konzern. Gerade die Möglichkeit zur freien Entfaltung in der Kommune, diese Kultur des Miteinanders, sie sorgt dafür, dass die Bürgerinnen und Bürger einen Bezug zu ihrer Stadt entwickeln.

Stabile Unternehmen, Handwerksbetriebe und Geschäfte bilden die Basis für eine sich gut entwickelnde Kommune. Deshalb steht Wirtschaftsförderung ganz oben auf meiner Agenda. Um die Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft weiter zu verbessern, ist, um die wichtigsten Punkte zu nennen, es wichtig die städtische Wirtschaftsförderungsgesellschaft weiterzuentwickeln, den Speyerer Einzelhandel zu fördern sowie eine tragfähige Tourismusstrategie zu entwickeln. Hierzu gehören auch Maßnahmen, um Existenzgründungen und die Neuansiedlung von Betrieben zu erleichtern, sowie Schritte, um alteingesessene Firmen und Geschäfte beispielsweise bei Modernisierungsmaßnahmen zu unterstützen.

Wir stehen vor einer Epoche des Wandels auf allen Ebenen von Wirtschaft und Gesellschaft, denn wir befinden uns mitten in einer digitalen Revolution – Stichwort ‚Arbeit 4.0. Maschinen, gesteuert von immer intelligenter werdenden Computern, werden immer mehr Arbeiten übernehmen, die jetzt noch von Menschen ausgeführt werden.

Das können und wollen wir nicht verhindern, aber wir können und müssen die Auswirkungen für die Menschen sozialverträglich machen, Ihnen neue Perspektiven aufzeigen. Das ist die Aufgabe der Politik und dazu braucht es zukunftsorientierte Konzepte. Als Oberbürgermeisterin werde ich die Augen nicht vor den Problemen verschließen sondern alles dafür tun, dass die Menschen, für die ich Verantwortung trage, bei allen Veränderungen nicht auf der Strecke bleiben.

Arbeits- und Ausbildungsplätze zu erhalten und zu schaffen ist nicht nur ökonomisch von großer Bedeutung, sondern auch ein Ausweis von Lebensqualität und Zukunftsorientierung. Hier, liebe Unternehmerinnen und Unternehmer, stehen wir alle, die Politik, die Betriebe, die Kammern, in der Verantwortung. Teilhabe ermöglichen und Inklusion leben – zwei Ursozialdemokratische, arbeitsmarktpolitische Ansätze. Ein kommunaler Integrationsbetrieb könnte hierfür beispielhaftsein. Dafür setze ich mich mit ganzer Energie ein.

Zukunft bauen für Jung und Alt, dass möchte ich mit euch gemeinsam tun. Perspektiven eröffnen für junge Familien. Damit sie sich weiterhin in Speyer wohl fühlen, werde ich ein verstärktes Augenmerk auf die Wohnsituation legen und unser Möglichstes für Kinderbetreuung tun. Kinder beziehungsweise junge Menschen sind unsere Zukunft. Auch das ist ein Gemeinplatz, ich weiß, aber einer, der leider in den letzten 10 Jahren viel beschworen und doch nicht angepackt wurde. Gerade jungen Menschen ein attraktives Umfeld zu bieten, könnte bald zum Standortvorteil werden.

Die größte Herausforderung in den vergangenen Jahren bestand wohl darin, dass so viele Menschen wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr nach Europa geflohen und an den Küsten oder in überfüllten Aufnahmelagern strandeten. Hier wirken die Entscheidungsträger oft ratlos, unentschlossen und uneins. Bedrohungen treiben immer mehr Menschen aus ihren Heimatländern; Flucht ist ihr einziger Ausweg, um Leib und Leben zu retten, um ihren Kindern Schreckliches zu ersparen. Die Versorgung der Flüchtlinge bedeutet für unsere Stadt eine große Herausforderung. Aber wir haben sie bislang gemeistert, nicht zuletzt dank der Hilfsbereitschaft der Speyrerinnen und Speyerer.

Wir haben unser Bestes gegeben, um die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen, gut aufzunehmen. Wir verurteilen die Hetze gegen Flüchtlinge und Asylsuchende, die in den letzten Monaten vielerorts und leider auch bei uns laut wird. Speyer ist eine weltoffene, eine humane Stadt. Bei uns ist für Fremdenfeindlichkeit kein Platz, wir verwahren uns gegen Stimmungsmache und Gewalt.

Und die Feinde unserer offenen Gesellschaft und unseres Rechtsstaates werden lauter. In Europa, in Deutschland, in Speyer. Sie verhöhnen uns und unsere humanistischen Werte. Sie stehen im Widerspruch zur Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Islamisten, deren Ideologie aus Gewalt und Hass besteht, Pegida-Anhänger, die den nationalistischen Rechtsruck in Deutschland salonfähig gemacht haben. Die AfD, die den Menschen vorgaukelten möchte doch nur HALB-so rassistisch zu seien, wie sie rüber kommt. Reichsbürger, fanatische Verschwörungsanhänger. Sie allen treiben ihr Spiel mit Angst und Unsicherheit.

Wir alle sind gefragt, Hass, Rassismus und Ausgrenzung klar anzusprechen und mit unseren demokratischen Mitteln entgegenzuwirken. Damit auch unsere Kinder und Enkelkinder in einer freiheitlichen, offenen und toleranten Stadt – in einem geeinten Europa leben können.

Unsere Stadt steht vor neuen und alten Herausforderungen: Modernisierung und Integration, Bewältigung sozialer Aufgaben sind hier nur einige Stichworte. Lebensqualität zu sichern, auch im Hinblick auf eine sich allmählich verändernde Bevölkerungsstruktur, das wird zum Ausweis einer auf die Zukunft gerichteten Politik.

Wie wir alle wissen, ist das A und O jeden Bauens die Finanzierung. Dass es mit den Finanzen der Kommunen selten zum Besten bestellt ist, dürfte hinlänglich bekannt sein. Insbesondere die hohen Ausgaben haben dazu beigetragen und die Aufgaben werden noch umfangreicher. Wir brauchen, um nur einiges zu nennen, Kindergärten und Schulen sowie Sport- und Kultureinrichtungen, wir müssen uns um Sicherheit und Ordnung sowie um Nahverkehr und Wirtschaftsförderung kümmern. Deshalb werde ich mich für eine Gemeindefinanzreform einsetzen, die dazu dient, die finanziellen Grundlagen der kommunalen Selbstverwaltung zu erhalten, aber auch externe Gutachtervergaben auf den Prüfstand stellen. In diesen Zusammenhang gehören im Übrigen auch hohe Ausgaben wie für den Haltepunkt-Süd oder den Eingang zum Adenauerpark. Ich will alles in meiner Macht Stehende tun, dass unsere Stadt weiterhin attraktiv bleibt, aber die hier lebenden Menschen haben absolute Priorität. Bevor ich Geld für Marketing ausgebe, sollten erstmal die Schulen saniert oder in die Pflege und Sauberkeit des öffentlichen Raumes investiert werden.

Allen Bürgerinnen und Bürgern, die hier wohnen und arbeiten, Lebensqualität und ein ansprechendes Umfeld zu bieten, das war, ist und bleibt mein zentrales kommunalpolitisches Anliegen.

Die Zukunft bauen, das wollen, das tun wir in den Kommunen. In diesem Frühsommer nun, Sie alle wissen es, finden die nächsten Oberbürgermeisterwahlen statt. Der Wahlkampf mit seinen Turbulenzen und seinem Werben für den jeweils eigenen Standpunkt hat längst begonnen – schließlich steht viel auf dem Spiel. Denn es geht um unsere Zukunft bzw. wie unsere Zukunft aussehen könnte. Die Weichen werden neu gestellt, wenn entschieden wird, dass unsere Stadt die erste Oberbürgermeisterin gewählt hat.

Um die Zukunft zu bauen, braucht die Politik den Diskurs aller gesellschaftlichen Kräfte und die Teilnahme der Bürgerinnen und Bürger. Das gilt vor allem aber dann, wenn kein Wahlkampf ansteht. Wir brauchen Debatten darüber, wie wir unsere Stadt der Zukunft vorstellen, wie Lebensqualität aussehen kann und in welche Richtung die Weichen für Innovationen gestellt werden sollen. Hierzu möchte ich Sie einladen. Je mehr Bürgerinnen und Bürger sich an solchen Diskussionen beteiligen, desto mehr zukunftsweisende Antworten wird es geben und desto stärker werden gesellschaftliche Veränderungen in der Bevölkerung verankert sein.

In diesem Sinne waren wir schon immer eine aktive Stadt, eine Stadt mit vielen Bürgerinnen und Bürgern aus den unterschiedlichsten Bereichen, die einen guten Grund zum Bau von Gegenwart und Zukunft legen. Das gibt uns eine solide Basis für unser Handeln in 2018 und darüber hinaus. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, meine Damen und Herren, sowie allen Speyrerinnen und Speyerern ein gutes und erfolgreiches Jahr.